Noëlle Karpf, Solothurner Zeitung, 11.12.2018:
Ein privater Verein will künftig eine Notschlafstelle im Kanton Solothurn. Heute sind die Sozialdienste dafür zuständig, Menschen in Notsituationen Obdach zu gewähren. Das funktioniere auch ohne Notschlafstelle. Bedingung ist aber, dass sich Betroffene helfen lassen wollen.
Wenn es wieder kälter wird, werden sie zum Thema: Notschlafstellen. Orte, wo Obdachlose für ein paar Franken übernachten können. Das gibt es im Kanton nicht – oder noch nicht: Letztes Jahr wurde in Olten ein Verein gegründet, der eine Notschlafstelle eröffnen will. Dort sorgen im Winter Personen für Aufsehen, die auf der Holzbrücke oder bei Velounterständen übernachten. Bisher hat der Verein aber noch keine Unterkunft gefunden: Zuerst sprang ein Vermieter ab, jetzt sucht man nach Platz für Wohncontainer (wir berichteten).
Auch diesen Winter gibt es im Kanton also keine Notschlafstelle – nicht mehr, könnte man auch sagen. Auch im Kanton gab es nämlich in den Achtzigerjahren Notschlafstellen als Folge der offenen Drogenszene, wie Kurt Boner berichtet, der früher in einer solchen Einrichtung in Olten gearbeitet hat. Jetzt, wo es die Szene so nicht mehr gebe, sei der Bedarf nach solchen Auffangstellen nicht mehr in gleichem Masse vorhanden, so Boner, der heute die sozialen Dienste Oberer Leberberg leitet.
Notunterkünfte der Sozialdienste
Im Kanton sind die Sozialregionen für die Sozialhilfe zuständig. Mit dieser werden auch Notunterkünfte oder begleitete Wohnformen für Menschen in oder am Rande zur Obdachlosigkeit finanziert. Im Gebiet Grenchen melde das Oberamt dem Sozialdienst, wenn jemand aus der Wohnung geworfen werde. Bei Familien gelte es dann, Obdachlosigkeit «abzuwenden», so Boner. Notwohnungen, die mittels Sozialhilfe bezahlt werden, bietet der Verein «Netzwerk Grenchen» an. Diese sind laut Boner längerfristig ausgelastet.
Der Sozialdienst könne auch Personen in die Notschlafstellen in Biel verweisen, diese seien «sehr gut ausgelastet» (siehe auch Box: «Notschlafstelle im Kanton ist ‹unumgänglich›»). In der Sozialregion gebe es rund fünf Personen ohne festen Wohnsitz. «Es müssen keine Menschen auf der Gasse schlafen, wenn sie sich an den Sozialdienst wenden», sagt der Sozialdienstleiter klar.
Sozialhilfe – und Unterstützung bei Obdachlosigkeit – erhält nur, wer diese auch anfordert. So schrieb auch der Oltner Stadtrat bereits 2016 in einer Antwort auf eine Interpellation zum Thema: «Obdachlosigkeit zu verhindern, ist in erster Linie Aufgabe der betroffenen Personen selber.» Auf diese schriftliche Beantwortung verweist nun Hans Peter Müller, Leiter der Sozialregion Olten.
Der Stadtrat war auch damals schon der Meinung, es brauche keine Notschlafstelle in Olten, bis anhin habe man für alle Personen in der Sozialregion Obdach finden können. Mit Sozialhilfe können Mietausstände beglichen oder Zimmer gemietet werden. Müller konkretisiert, man habe eine Liste mit geeigneten Unterkünften, darunter auch Hotels. Auch in Olten werden Personen ohne Dach über dem Kopf als «Einzelfälle» bezeichnet.
«Ohne Wohnsitz»: 31 Dossiers
Eine Obdachlosenstatistik gibt es nicht. In der Sozialhilfestatistik ist festgehalten, wie viele Personen im Kanton Sozialhilfe erhalten. 2016 waren es 9910 Personen, 6434 Dossiers wurden geführt. Weniger Dossiers sind es, weil etwa für Familien jeweils ein Dossier geführt wird. Von diesen 9910 Personen lebten über 8800 in Privathaushalten, rund 700 in stationären Einrichtungen und Heimen, 101 in «speziellen Wohnformen» – darunter Fahrende (3 Dossiers), aber auch Personen «ohne festen Wohnsitz». 2016 wurden 31 solche Dossiers geführt.
Keine Personen ohne Obdach sind derzeit in der Sozialregion Solothurn bekannt, wie die Leiterin Domenika Senti auf Anfrage mitteilt. Eine Notunterkunft gibt es aber auch in Solothurn: Die einfach möblierte 2-Zimmer-Wohnung sei dieses Jahr zu knapp 50 Prozent belegt gewesen, so Senti. Man könne zudem kurzfristig weitere Übernachtungsmöglichkeiten organisieren.
Begleitete Wohnformen von verschiedenen Institutionen für Menschen, die kurzfristig Unterstützung brauchen, gibt es wie im Oberen Leberberg auch in Solothurn. Mit dem Ziel, dass die Betroffenen danach wieder selbstständig wohnen können. Und wie aus Grenchen heisst es auch aus Solothurn, eine Notschlafstelle brauche es nicht in der Region. «Wenn sich Bedürftige mit Unterstützungswohnsitz Solothurn bei uns melden, haben sie Anspruch auf ein Obdach und das wird durch die Sozialen Dienste vermittelt und gewährt.»